Knapp zwei Wochen war nun Abbé Evariste Nambaje in Deutschland unterwegs. Der Finanzökonom des Bischofs von Cyangugu folgte einer Einladung von Dieter Farrenkopf, dem Ingenieur des Senior Experten Services welcher alle Erdbebenschäden in der Region unserer Partnergemeinden im Südwesten Ruandas aufgenommen hatte, nach Hamburg.
Auf dem Weg nach Österreich, wohin Abbé Evaristes offizielle Mission führt, blieb noch Zeit für einen kurzen Zwischenstopp in Kaiserslautern. Dorothea Fuchs empfing die Gäste aus Hamburg und Ruanda zu einem Mittagessen in ihrem Haus und lud sie zu einem anschließenden Spaziergang durch Kaiserslautern ein. Hier treffe ich die drei, am 13.05.2009, in einem Eiscafé. Die Stimmung ist gut und das Wiedersehen ist herzlich, es gibt viel zu berichten.
Abbé Evariste erzählt, dass die Aufbauarbeiten in Shangi voranschreiten, die zerstörten Schulen sollen schon in diesem Jahr fertiggestellt werden, so dass dort bald wieder unterrichtet und gelernt werden kann. Die Sanierung der Kirche habe ebenfalls begonnen und man freue sich, dass der Wiederaufbau des „Salle Polyvalente“ nun auch bald beginnen kann. Er berichtet auch von seiner Idee, ein hotelähnliches Gästehaus in Cyangugu zu errichten.
Abbé Evariste bestellt viele Grüße aus Ruanda, man erinnert sich gerne an die Jubiläumsfeier und den Besuch aus Kaiserslautern – man freut sich auf ein baldiges Wiedersehen.
Während wir Kaffee trinken und Eis essen kommt zufällig Matthias Jung, Pfarrer der evangelischen Stiftskirchengemeinde, vorbei und setzt sich auf einen Plausch zu uns. Abbé Evariste kann berichten, dass er in Hamburg zum ersten Mal einen evangelischen Gottesdienst besucht hat und erstaunt war, dass es auch Pfarrerinnen gibt. Überrascht zeigte er sich darüber, dass die Gottesdienste in Deutschland nur wenig gut besucht sind. Dies stelle tatsächlich ein Problem für die Kirchen in Deutschland und Europa dar, das man so in Afrika nicht kenne, in Ruanda kämen viel mehr Menschen zur Feier der Heiligen Messe.
Die kulturellen Unterschiede zwischen den Kontinenten sind groß, Dieter Farrenkopf kann über die ersten Tage Abbé Evaristes und dessen Begegnung mit der deutschen Kultur, hiesigem Alltag und unseren Problemen berichten:
„Ich habe in mehreren Schritten versucht, unsere Lebens- und Denkweise zu vermitteln. […] Einkaufen von Bauhaus über Ikea bis zum kleinen Laden, vom Essen bei McDonalds, in der Brauereiwirtschaft, im Biergarten, im guten Restaurant, mit Freunden zu Hause bis zum sparsamen Umgang mit Telefon und der Mülltrennung.“
Neben dem Erlebnis des deutschen Alltags hatte der Finanzökonom aus Ruanda auch Gelegenheit verschiedene Einrichtungen zu besichtigen. „Im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde das für ihn wichtige Thema ‚Bildung einer Nation‘ besprochen. Bei SES, DKKV und INVENT wurden Fragen der Entwicklungszusammenarbeit besprochen. Besonders beeindruckte der Besuch einer Seniorenresidenz sowie von Friedhöfen mit der Integration von Kriegsgräbern“, so Dieter Farrenkopf.
Abbé Evariste hielt einen Vortrag vor Notärzten und wird am 08. Juni 2009 nun offiziell zu einem weiteren Besuch und Vortrag in Kaiserslautern erwartet.
Die Zeit im Eiscafé vergeht wie im Flug und wir machen uns auf den Weg ins Edith-Stein-Haus, zum Regionaltreffen des Partnerschaftsvereins Ruanda – Rheinland-Pfalz. Michael Nieden, Leiter des Koordinationsbüros in Kigali, wird dort erwartet und berichtet von seiner Arbeit in Ruanda. In der aktuellen Ausgabe der Ruanda-Revue schreibt er hierüber und steht den zahlreich Anwesenden Rede und Antwort.
Das Land Ruanda erlebe zur Zeit einen Entwicklungsaufschwung, insbesondere in Kigali sei dies spürbar. Die Baubranche explodiere trotz der teuren Rohstoffpreise geradezu und beinahe täglich entstehen neue Häuser, Hotels und Zentren. In der jungen Bevölkerung kristallisiere sich zunehmend eine Mittelschicht heraus.
In den ländlichen Regionen hingegen, wie die Region unserer Partnergemeinden, spüre man leider nur wenig von der positiven Entwicklung in der Hauptstadt. Obwohl Paul Kagame, der Präsident des Landes, auch die Agrarpolitik grundlegend geändert habe, es würde z. B. nun vielmehr Reis angebaut werden, sei es in den ländlichen Regionen schwerer die Bevölkerung zu versorgen und mit Arbeit zu beschäftigen. Eine „Flucht“ in die Städte sei festzustellen.
Ruanda habe wenig an Rohstoffen zu bieten und so versucht Paul Kagame das Land zu einem Finanz- und Dienstleistungszentrum Afrikas umzubauen. Der Präsident stehe unter Druck, das Land wirtschaftlich stabil zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt er u. a. eine konsequente Anti-Korruptionspolitik und vereinbart Leistungsverträge mit den politischen Verantwortlichen in den einzelnen Regionen und Ortschaften. Werden die Zielvorgaben und Leistungsanforderungen nicht erfüllt, wird der vor Ort politisch Verantwortliche ausgetauscht. Dies stelle für die Partnerschaft derzeit ein Problem dar, da nachhaltige Kontakte, gerade auf politischer Ebene, so wenig möglich sind.
Die Idee der Partnerschaft sei bei den neuen politischen Führern wenig bekannt und rheinland-pfälzische Partner werden oft als Geldgeber mißverstanden. Hinzukommt ein auf beiden Seiten der Partnerschaft stattfindender Generationswechsel, junge Leute engagieren sich nicht mehr langfristig sondern projektbezogen. Vorrangiges Ziel müsse daher künftig auch der gegenseitige Austausch, die Neubelebung der Partnerschaftsidee sein. Michael Nieden könne sich hier z. B. die Einrichtung von Partnerschaftskomitees vorstellen, wie dies von den kirchlichen Trägern bereits erfolgreich praktiziert wird. Ebenso sei die Einrichtung eines Reisefonds denkbar, die Partnerschaft müsse neue Leute begeistern. Man habe jetzt die Chance in die Diskussion einzusteigen: Wie kann es weitergehen? Wie können wir uns aufstellen? Wo sind die Probleme und was geht besser?
Die Rheinland-Pfälzer seien in Ruanda gerne gesehen, sie seien diejenigen die vor Ort gehen, während andere – so Nieden sinngemäß – vom Hotel aus agieren.
Abbé Evariste lobt die gute Zusammenarbeit mit Herrn Nieden und dem Koordinationsbüro, bei der Aufnahme der Erdbebenschäden habe man sich kennengelernt und erfolgreich miteinander gearbeitet.
Mittlerweile ist der Finanzökonom aus Ruanda gut in Österreich angekommen und wir freuen uns, Abbé Evariste Nambaje am 08. Juni 2009 wieder in Kaiserslautern begrüßen zu können.