Gedenken: Genozid in Ruanda

„Bin dankbar, dass wir nicht alleine sind“
von Joachim Schwitalla
Die Rheinpfalz – Nr. 83 – Pfälzische Volkszeitung – 7. April 2014

„Ein Völkermord, wie er vor 20 Jahren in Ruanda passiert ist, darf nie wieder geschehen.“ Das hat Christine Nkulikiyinka, die ruandische Botschafterin, gestern bei einer Gedenkfeier für die Opfer des Genozids in Ruanda gesagt. Bei einem Gottesdienst in der St. Martinskirche, zu dem die ruandischen Studierenden der Technischen Universität Kaiserslautern eingeladen hatten, appellierte die Botschafterin, alles zu unternehmen, dass der Völkermord nicht in Vergessenheit gerät.

Die Gräueltaten seien ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen. „Menschen wurden gequält, vergewaltigt, abgeschlachtet. Es waren Mütter und Väter, Schwestern und Brüder. Sie alle hatten einen Namen und ein Gesicht.“ 1,2 Millionen Menschen seien es gewesen, die getötet wurden. „Ich bin dankbar, dass wir in diesen Tagen des Gedenkens nicht alleine sind“, dankte die Botschafterin für die moralische Unterstützung.Der Mainzer Justizminister Jochen Hartloff hob hervor: „Mit dem Gedenken wollen wir ein Zeichen setzen, dass unsere ruandischen Freunde nicht alleine sind, dass aus Trauer Hoffnung wächst.“ Hartloff setzte auf die Lernfähigkeit der Menschen und darauf, dass sie ihren christlichen Glauben umsetzen und in Frieden miteinander leben. Ihn erfülle es mit Scham, dass die Völkergemeinschaft damals in Ruanda versagt und weggeschaut habe. Er sei froh, dass Rheinland-Pfalz die Freundschaft mit den Menschen in Ruanda fortgesetzt habe. „Ich freue mich, so viele junge Menschen aus Ruanda hier zu sehen“, so Hartloff.

In Vertretung von Innenminister Roger Lewentz, der zeitgleich in Kigali an einer Gedenkfeier teilnahm, betonte Ministerialdirigent Randolf Stich, es sei unfassbar, was vor 20 Jahren in Ruanda geschehen sei, was Menschen ihren Mitmenschen angetan hätten. Wer sich an das schreckliche Geschehen erinnere und gedenke, sei auf dem Weg zu vergeben. Für ihn sei es eine große Ehre, mit den Menschen in Ruanda in Freundschaft verbunden zu sein.

Kaiserslautern sei stolz, dass in der Stadt eine solche Gedenkfeier für die Opfer des Völkermords in Ruanda stattfinde, sagte Bürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt. Den Menschen sei unsägliches Leid und Unrecht zugefügt worden. „Das dürfen wir nicht vergessen.“ Es stimme sie zuversichtlich, dass es in Kaiserslautern eine gute Zusammenarbeit von Gruppierungen gebe, die sich mit Ruanda seit vielen Jahren partnerschaftlich verbunden fühlten, erinnerte sie an Pfarreien, Schulen und die Universität.

Angesichts der vielen Gedenkstätten mit den sterblichen Überresten der ermordeten Opfer in Ruanda hinterfragte Pfarrer Andreas Keller in seiner Predigt, wie Versöhnung stattfinden kann. Die Spirale der Gewalt müsse auf der untersten Stufe beendet werden. Steige die Spirale, komme es zur Katastrophe.

Keller rief dazu auf, den Glauben endlich ernst zu nehmen und ihn zu leben. „Die gelebte Feindesliebe, der Verzicht auf Vergeltung und Rache, ebnet den Weg zur Versöhnung.“ Wer den Glauben und das Gebot der Feindesliebe nicht ernstnehme, der schraubt bereits an der nächsten Spirale der Gewalt. Versöhnung könne nicht durch Verdrängen geschehen, sagte Keller. Er appellierte, den Weg der Erneuerung vereint zu gehen. „Die Botschaft vom Verzicht von Gewalt und Vergeltung muss in die Herzen.“

Dem Gottesdienst ging ein Gedenkmarsch der Studierenden vom Hauptbahnhof zur Martinskirche voraus. Viele Freunde Ruandas aus Kaiserslautern, der Region und aus Mainz nahmen an dem Schweigemarsch teil. Unter ihnen Bürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt, Landtagsabgeordnete und TU-Präsident Professor Helmut Schmidt. 

Was geschah in Ruanda?

Wenn gestern Studierende aus Ruanda und Menschen, die partnerschaftlich mit Ruanda verbunden sind, auf die Straße gingen und in einem Gottesdienst an ein trauriges Kapitel in Ruanda erinnerten, hat das einen besonderen Grund. Vor 20 Jahren ereignete sich in Ruanda, dem afrikanischen Partnerland von Rheinland-Pfalz, eine Tragödie. Von April bis Juli 1994 rollte eine Welle der Gewalt über das Land. In etwa hundert Tagen wurden von Angehörigen der Volksgruppe der Hutus annähernd eine Million Menschen ermordet. Getötet wurden fast ausschließlich Frauen und Männer, die der Volksgruppe der Tutsi-Minderheit angehörten. Blinde Gewalt, Mord und Totschlag bestimmten den Genozid, so nennt man den Völkermord, der sich in dem afrikanischen Land abgespielt hat. Alleine in Shangi, der Partnergemeinde der Pfarrei St. Martin in Kaiserslautern, wurden über 8000 Menschen getötet. In Shangi erinnert eine unterirdische Grabstätte, in der die Gebeine der Ermordeten aufbewahrt werden, an das schreckliche Ereignis. Heute fragt man sich: Wie war es möglich, dass sich Freunde und Nachbarn gegenseitig töteten? Und wie können Opfer und Täter, nach allem was geschehen ist, gemeinsam miteinander weiterleben? Versöhnungsprogramme haben für das Leben der Menschen in Ruanda wertvolle Dienste geleistet.

 

 

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